Sunday, February 19, 2006

Onetti revisited

Kurzer Nachtrag zum letzten post: Ich habe beim Durchsehen von "Das kurze Leben" noch eine zweite passende Passage gefunden, die mit dem letzten Zitat zusammenpasst:

"Das Leben ist noch nicht zu Ende, es gibt Möglichkeiten für das Vergessen, wir können den Geruch der Luft am Morgen erkennen, wir können den Tag Revue passieren lassen, einschlafen, ohne das jeder Erinnerung Vorausgegangene zu kennen und lächeln, wenn wir erwachen, eben getrennt von der Glückseligkeit des Ungereimten."

Leider sind mir bei der Lektüre des gesamten Buches keine weiteren Formulierungen im Kopf geblieben, nach denen ich gezielt suchen könnte. Der Roman ist so gesehen wenig ergiebig.

Der Lebensrhythmus

Ist das Leben nicht an Wiederholungen gebunden? Könnte man überhaupt leben in einer sich ständig verändernden Umgebung, die keine Wiederholungen kennt? Es ist doch vielmehr nötig, gewisse Wiederholungen zu dulden, sogar zu suchen, damit ein Lebensrhythmus entsteht und sich fortsetzt. - Doch wird bei ewiger Wiederholung der Rhythmus zur Monotonie und das Leben als solches ergraut und wird uns sinnlos. So ist es nötig, den Rhythmus anzureichern um kleinere Synkopen, gelegentliche Tempowechsel oder gar eine Änderung der Taktart.

Diese Überlegung habe ich schon vor einiger Zeit angestellt. Sie kam mir wieder in den Sinn, als ich folgende Passage bei Onetti in seinem Buch "Das kurze Leben" las, welche mir als Ausführung zu dem Gedanken des Wechsels der Taktart erscheinen mag:

" [...] Es geht um etwas anderes, darum, daß man glaubt, zu einem Leben verurteilt zu sein bis zum Tode. Dabei ist man nur zu einer Seele verurteilt, zu einer Seinsart. Man kann viele Male leben, viele mehr oder minder lange Leben."

Worauf es also ankommt, ist, sich selbst immer wieder neu zu erschaffen und zu definieren, statt in alten Bahnen zu veröden. Das Leben ist auf eine gewisse Regelmäßigkeit angewiesen, aber es ist immer möglich oder gar nötig, voranzuschreiten.
Ich will hier wiederum den Link zum zitierten Werk nicht weglassen; man darf sich ja heute über jeden potentiellen Leser freuen. Andererseits enthält "Das kurze Leben" nur wenige, dafür sehr gute Passagen wie die oben erwähnte, welche unter einem Berg unverständlicher Wendungen begraben sind. Lesenswert ist das gesamte Buch daher nur sehr bedingt.

Wednesday, February 15, 2006

Über simple Weltanschauungen

Marxismus, Nationalsozialismus, Ökonomie, Christentum, Utilitarismus und desweiteren, alle Versuche, die Welt aus einem Punkt zu erklären - sie scheinen mir oft als dürre Äste, die über einem tosenden Fluss hängen. Und der Mensch inmitten dieses Flusses reckt sich nach dem geringen Halt, den diese Äste ihm versprechen. Doch auch wenn er lange von denselben gehalten wird, so braust das Wasser doch weiter um ihn und die Wahrscheinlichkeit ist keine geringe, dass es ihn erschlägt und davonreißt.

Dies korrespondiert sozusagen mit dem Schluss aus dem letzten blog-Eintrag: Der Mensch erfindet sich vielfältige Mittel, sich über die Unerkennbarkeit der Welt hinwegzutäuschen.

Tuesday, February 14, 2006

Sinnfreiheit führt zu Freiheit

Hier noch ein kleiner Nachtrag zu meinem post "The Crown und der Sinn des Lebens": Ich habe bereits vor geraumer Zeit das Buch "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" von Milan Kundera gelesen, welches mich sehr fasziniert hat. Leider hat sich mir das Buch nicht vollständig eingeprägt (ich werde es wohl irgendwann noch einmal lesen); einige Stellen - davon besonders die folgende, das Buch einleitende Passage - haben mich jedoch tief beeindruckt und in meinen Theorien unterstützt:

„Die Ewige Wiederkehr ist ein geheimnisvoller Gedanke, und Nietzsche hat damit manchen Philosophen in Verlegenheit gebracht: alles wird sich irgendwann so wiederholen, wie man es schon einmal erlebt hat, und auch diese Wiederholung wird sich unendlich wiederholen! Was besagt dieser widersinnige Mythos?
Der Mythos von der Ewigen Wiederkehr sagt uns in der Negation, daß das ein für allemal entschwindende und niemals wiederkehrende Leben einem Schatten gleicht, daß es ohne Gewicht ist und tot von vornherein; wie grauenvoll, schön oder herrlich es auch immer gewesen sein mag – dieses Grauen, diese Schönheit, diese Herrlichkeit bedeuten nichts.“

Der Titel des Buches selbst impliziert jedoch, dass es sich bei dieser Erkenntnis um eine bedrückende handeln kann. Die Sinnlosigkeit der Welt ist durchaus ein schwer zu ertragendes Faktum - aus Angst vor diesem Gedanken sind Religionen entstanden. Es stellt sich jedem einzelnen die Frage, ob er stark genug ist, sich dieser Angst zu widersetzen oder ob sie ihn mit der Zeit zerbricht.

(Wer sich hierdurch zum Lesen animiert fühlen sollte, folge diesem Link)

Sunday, February 12, 2006

Musik und Schneefall

"In dieser Musikrichtung hört sich doch eines an wie das andere!" - Dies wird oft als Geschmacksurteil in den Raum gestellt und soll den Adressaten der Aussage vom Genusse oder der Anerkennung eines Stils abbringen. Doch ist dieser Satz geeignet, den Gesprächspartner zu überzeugen? Es wird von den Inuit, den Eskimos, erzählt, sie hätten dutzende Wörter für "Schnee". Jeder Aspekt und jede kleine Veränderung des Zustandes des Schnees werde so mit einem neuen Wort besetzt. Der Europäer ist in dieser Hinsicht ungebildet, für ihn ist Schnee schlicht Schnee (wenn ihm auch einige Eigenschaften zugeschrieben werden können: Schneematsch, Neuschnee, etc.); er ist nicht in der Lage, entsprechend genau zu unterscheiden. Blicken wir nun auf die fragliche Äußerung unseres Gegenübers, so kann doch nur der Schluss folgen, dass die Aussage nicht von erarbeiteter Meinung spricht und somit wenig Wert hat. "Klingt doch alles gleich!" - hierin entlarvt sich der Dilettant...

The Crown und der Sinn des Lebens

Nehmen wir an, es gäbe einen uns erkennbaren Sinn des Lebens: Wären dann nicht nur solche Handlungen sinnvoll und überhaupt zu unternehmen, welche uns diesem Sinn des Lebens näher brächten; wären demgegenüber nicht alle anderen Handlungen sinnlos und deshalb zu unterlassen? Dies wäre sicherlich eine unfassbar große Determination unserer Entfaltungsmöglichkeiten. - Nun finden wir außerhalb unseres Selbst keinen solchen Sinn, keine feststellbare Wahrheit: Was für ein Zugewinn unserer Freiheit! Erst die Sinnlosigkeit des Lebens gibt dem Selbst den Spielraum zu seiner Verwirklichung.

Interessant ist hier vielleicht nicht nur meine Überlegung, sondern auch die Quelle meiner Inspiration: "The Speed Of Darkness", ein Song der schwedischen Band "The Crown" (RIP), in dessen lyrics es heißt: "With no way to follow - I can't be lost". Was zumindest mir wieder als Beweis ausreicht, dass die fünf Schweden mehr waren als betrunkene Rocker (aber auch das).