Friday, December 28, 2007

Fremde Federn 2.0

Und gleich noch einmal:

"(...) und ich hatte nur eine einzigen Gedanken in dieser Zeit, nämlich den Selbstmordgedanken; aber wirklich Selbstmord zu machen, dazu war ich zu feige und auch viel zu neugierig auf alles, von einer schamlosen Neugierigkeit bin ich zeitlebens gewesen, das hat immer wieder meinen Selbstmord verhindert, ich hätte mich tausendemale umgebracht, wenn ich nicht immer von meiner schamlosen Neugierde zurückgehalten worden wäre auf der Erdoberfläche. Nichts habe ich zeitlebens mehr bewundert als die Selbstmörder. Alles haben sie mir voraus, alles, habe ich immer gedacht, ich bin nichtswürdig und hänge am Leben, und ist es noch so scheußlich und minderwertig, noch so abstoßend und gemein, noch so billig und niederträchtig. Anstatt mich umzubringen, gehe ich alle widerwärtigen Kompromisse ein, mache ich mich allem und jedem gemein und flüchte in die Charakterlosigkeit wie in einen stinkenden, aber wärmenden Pelz, in das erbärmliche Überleben!"
- Thomas Bernhard, Die Kälte. Eine Isolation.

Fremde Federn

"Genau wie in der Wissenschaft ist auch im Leben das Ethische stets kreuzlangweilig. Wie krass ist doch der Gegensatz: Unter dem Himmel der Ästhetik ist alles anmutig, schön, flüchtig; schreitet aber die Ethik einher, dann wird alles rauh, hässlich, unbeschreiblich langweilig."
- Kierkegaard, Tagebuch des Verführers

Tuesday, October 30, 2007

Nachwuchs

Ein Blick in die Ausgabe Nr. 38 vom 17.9.2007 des Spiegel-Magazins provoziert in mir alte Vorurteile: Es versteht sich, dass die katholische Kirche sich gegen die Abtreibung stellt: Denn an wem wollen sich die Männer Gottes noch vergreifen, wenn der Nachwuchs ausbleibt?

Tuesday, September 11, 2007

Feldpost

Zwischendurch ein kleines Trauerspiel:

"Hundertmal wollte ich mich umbringen, aber ich hing noch zu sehr am Leben. Diese lächerliche Schwäche ist wohl eine unserer unheilvollsten Neigungen; denn kann es etwas törichteres geben, als beständig eine Last mit sich herumzuschleppen, die man immer abschütteln möchte, und an einem Leben zu hängen, vor dem man Abscheu empfindet, kurz - die Schlange am Busen zu nähren, bis sie uns das Herz aufgefressen hat?"
- Voltaire, Candide oder Der Optimismus

Wednesday, February 21, 2007

Verlässlichkeit

Hass ist so viel verlässlicher als Liebe. Liebe ist sprunghaft, Hass ist konstant.

Monday, February 05, 2007

Die Rückkehr zur Schöngeistigkeit des Anfangs vollzieht sich in der Betrachtung des folgenden Abschnitts aus "Narziß und Goldmund" von Hermann Hesse:

"Vielleicht, dachte er, ist die Wurzel aller Kunst und vielleicht auch alles Geistes die Furcht vor dem Tode. Wir fürchten ihn, wir schauern vor der Vergänglichkeit, mit Trauer sehen wir immer wieder die Blumen welken und die Blätter fallen und spüren im eigenen Herzen die Gewißheit, daß auch wir vergänglich sind und bald verwelken. Wenn wir nun als Künstler Bilder schaffen oder als Denker Gesetze suchen und Gedanken formulieren, so tun wir es, um doch irgend etwas aus dem großen Totentanz zu retten, etwas hinzustellen, was längere Dauer hat als wir selbst."

Es bleibt der Zweifel. Welche Dauer hat die Kunst wirklich? Es mag Trost darin liegen, sein Werk unsterblich zu glauben - ist es nicht dennoch eine Form der Ignoranz?

"Wer immer sich einem Werk widmet, glaubt - ohne sich dessen ganz bewusst zu sein -, daß es die Jahre, die Jahrhunderte, die Zeit selber überdauern wird. Spürte er, während er sich ihm widmet, daß es vergänglich ist, er würde es auf halbem Weg aufgeben und könnte es nicht vollenden. Tätigkeit und Selbstbetrug sind nicht voneinander zu trennen."
- E.M. Cioran, "Vom Nachteil, geboren zu sein"